
Samstag Morgen, es ist noch still im Haus, der erste Kaffee hat die Lebensgeister geweckt. Aus dem Lautsprecher klingen die „Ultimate Hits Of The Seventies“ – und das für die nächsten neun Stunden. Zeit genug, das neue Bottling von Scotch Universe unter die Lupe zu nehmen. Und das braucht Zeit, denn das Bottling hat es in sich. Dreimal unpeated, dreimal peated. Drei Speysider, ein Highlander, zwei kommen von Islay. Der Durchschnitt liegt im Alter bei sieben Jahren und acht Monaten und beim Alkoholgehalt bei knapp über 61,0 %. Also nicht lang schnacken, einschenken und atmen lassen.
PROXIMA ALPHA I
Eckdaten: Speyside – 8yo – Refill Bourbon Hogshead – 60,1 %

Auge: Refill Bourbon Hogshead, das könnte die sehr helle, an jungen Weißwein erinnernde Farbe erklären. Der Schwenk im Glas bringt recht feine Legs, die sich schwer tun, wieder ins Glas zu laufen.
Nase: Frisch, leicht, fruchtig, spritzig, so ist der erste Eindruck. Schöne Fruchtaromen, etwas Honigmelone, junge, helle Weintrauben und vor allem viel weiße Johannisbeeren lassen sich ausmachen. Nach und nach gesellen sich dann malzige Noten hinzu, gehen in Cerealien, Butterkeks, Weißbrot über. Das wird den Früchten offensichtlich zu viel, denn sie ziehen sich langsam zurück, lassen dem Teig den Vorrang. Schön abwechslungsreich und das Interesse weckend. Alkohol ist fast nicht auszumachen.
Mund: Noch bevor ich die erste Aromen identifizieren kann, bekomme ich aus dem Mund die Rückmeldung einer samtigen, fast öligen Flüssigkeit, die für ein volles Mundgefühl sorgt. Dann wird es süß, fruchtig. Erst nach rund zehn Sekunden spüre ich den Alkoholgehalt von 60,1 % durch ein leichtes Kribbeln auf der Zunge. Helle Weintrauben, frische grüne Birne, darüber wieder jede Menge Johannisbeeren, die aber dunkler werden. Vanillezucker wechselt sich mit Butterkeks ab, ein Hauch von Thymian ist auszumachen, gerade so, dass die Süße getragen wird. Das Weißbrot scheint nun leicht angetoastet, bevor zum Ende eine ganz schwach bittere Holznote die Aromen wundervoll einfängt und abrundet.
Hals: Geschmeidig fühlt er sich im Abgang an, cremig. Fruchtige Süße mit ein wenig Spritzigkeit ist auszumachen und bleibt mittellang.
Fazit: Eine tolle Textur gepaart mit viel Frucht, dabei für über 60 % Alkohol erstaunlich mild. Toller Einstieg.
ANTARES I
Eckdaten: Speyside – 9yo – Sherry Butt – 64,3 %

Auge: Der neunjährige aus dem Sherry Butt hat die Farbe von Weißwein und der Schwenk im Glas bildet dünne Legs, die ölig langsam wieder ins Glas hinabrinnen. So weit die Ähnlichkeit zum ersten Dram.
Nase: Schöne malzige, dennoch leichte Aromen steigen mir entgegen. Ich nehme Wildblütenhonig wahr, eine Spur Plattpfirsich, am Rand etwas beeriges, nur eine Spur. Ich kann nicht genau identifizieren, ob es Erdbeeren oder Himbeeren sind. Frische und eine im doppelten Wortsinn leichte Grasigkeit runden den nasalen Eindruck ab. Das wirkt schon recht ausbalanciert.
Mund: Erstaunlich! Auch dieser fühlt sich weich und cremig an, wirkt mild, breitet sich angenehm im Mund aus. Erstaunlich? Ja, weil er mit 64,3 % abgefüllt wurde. Vierundsechzigkommadreiprozent! Ich brauche einen Moment, um mich wieder zu sammeln, nehme dann Malz wahr, die Süße von Honig. Der Plattpfirsich ist präsenter, Honigmelone ergänzt die Fruchtnoten. Die Süße wandert von Honig eher in Richtung Marshmallows. Zusätzlich gewinnt der Antares an Würze. Absolut faszinierend finde ich, dass der Alkohol bis zum Schluss kaum spürbar wird. Auch wenn ich den Nipp länger im Mund behalte, dauert es, bis die Geschmacksknospen entsprechende Rückmeldung geben.
Hals: Ha, geht doch! Ist der Mund erst einmal leer, sorgen die 64,3 % doch noch für den Aha-Effekt. Für einen Moment gilt diesem die volle Konzentration, dann bemerke ich die Süße und Malzigkeit im Abgang, die mittellang bleiben
Fazit: Ein tolles, sehr harmonisches Aromenspiel mit einem unglaublich gut eingebundenen Alkohol, bis er am Ende dann doch grinsend um die Ecke kommt. Und das ist ein eher diabolisches Grinsen. Mir gefällt es, Punkt.
POLLUX II
Eckdaten: Speyside – 9yo – Sherry Butt – 64,5 %

Auge: Noch ein Speysider, noch einmal neun Jahre alt, noch einmal Sherry Butt. Wundert es, dass die Farbe recht ähnlich ist? Nein, nicht wirklich. Gut, einen Tick dunkler ist der Dram im Glas, sieht golden aus. Die feinen Legs verbinden sich schnell, werden breiter und laufen nur sehr langsam wieder ins Glas.
Nase: Schon beim Einschenken breiten sich frische, blumige Aromen aus. Erst die Nase direkt über dem Glas stellt fest, wie gehaltvoll und komplex diese doch sind. Rote Äpfel mache ich aus, frische Sahne, dann Safran. Die Süße ist insgesamt sehr fruchtig, bringt einen Hauch Vanille mit. Apfelgelee kommt mir in den Sinn. Etwas länger im Glas werden die Noten zunehmend malziger und ich meine, eine Spur Gewürze wahrzunehmen, ohne diese allerdings in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen zu können.
Mund: Dermaßen angeregt bin ich gespannt auf den Geschmack. Weich ist das Mundgefühl – zunächst. Denn es folgt quasi mit kleinen Startschwierigkeiten ein kräftiger Antritt. Den Alkohol versteckt der Dram nicht, verrät aber auch nicht, dass hier 64,5 % losspurten. Der ist gehaltvoll im ersten Eindruck – und bleibt es auch. Würzigkeit, die ich als leichte Holznote interpretiere. Die Äpfel sind nicht mehr so dominant wie in der Nase, aber immer noch sehr präsent. Demarara-Zucker, eine Spur Kardamom, etwas Spekulatius wechseln sich ab. Alles harmonisiert miteinander, wirkt wie fein komponiert, bewusst aufeinander abgestimmt.
Hals: Die süße Würzigkeit klingt mittellang aus, wärmt wohlig und wird zum Schluss trockener.
Fazit: Der ist gehaltvoll, bringt winterlich stimmende Aromen – klasse! Bisher mein Highlight.
ANDROMEDA IV
Eckdaten: Highlands – 7yo – Jamaika Rum-Cask – 58,1 %

Augen: Auch dieser unterscheidet sich farblich nicht groß von den anderen. Golden schimmert der Dram im Glas, bildet feine Legs aus, die aber schnell dicker werden.
Nase: Trockener, kalter Rauch empfängt meine Nase, wirkt dabei verhalten. Vanille und Teig rieche ich dann, Da hat doch jemand gerade Scones gebacken. Dazu eine frische Note, ja das sind Zitronenzesten. Diese verblassen mit der Zeit, dafür kommt Vanillezucker durch. Ein insgesamt sehr interessantes Zusammenspiel.
Mund: Für einen Moment recht weich und mild, bevor sich der Rauch bemerkbar macht. Deutlicher als in der Nase. Trocken und immer noch nicht zu ausgeprägt. Gemeinsam mit der Vanille bemerke ich eine zuckrige Süße, bevor der Rauch dann aber kräftig darauf aufmerksam macht, dass er da ist. Malz und die Scones mildern das anschließend direkt wieder. Der Andromeda wird süß, zuckersüß. Zusammen mit dem Teig kann das nur eins bedeuten: Ommas Butterkuchen! Lecker! Und ja, Omma. So heißt dat hier.
Hals: So geht es auch im Hals weiter. Eine rauchige, wärmende Süße bleibt lange erhalten.
Fazit: Diese Kombination aus Süße und Rauch gefällt mir. Aufgrund der Fassangabe hatte ich andere Aromen erwartet. Bin ich enttäuscht, sie nicht zu finden? Nicht wirklich, denn das, was ich rieche und schmecke, gefällt mir gut.
CALLISTO III
Eckdaten: Islay – 5yo – St. Martinique Rum-Cask – 56,9 %

Auge: Ein schönes goldgelb scheint mir entgegen. Die Legs sind relativ breit und schwer. Sie lassen sich Zeit.
Nase: Der Rauch ist diesmal warm, mischt sich mit braunem Zucker, mit Rosinen. Tropische Früchte finde ich, eine Spur Banane, Maracuja sorgt für ein wenig Spritzigkeit. Ansonsten dominiert eine volle, schwere Süße, die aus einem Korb voller reifer Tropenfrüchte zu stammen scheint. Sehr komplex und vielschichtig. Das finde ich für einen fünfjährigen Malt durchaus bemerkenswert.
Mund: Voller, warmer Rauch breitet sich sofort im ganzen Mundraum aus. Richtig satt ist das Aroma. Die anderen haben es schwer und müssen sich erst einmal durchkämpfen. Nach und nach gelingt es ihnen jedoch. Brauner Zucker ist zu schmecken, überreife Banane, Pflaumen, und Karamell. Das wirkt so vollmundig, ölig und cremig, dass es eine Wonne ist. Solche Vielfalt in einem so jungen Malt hatte ich bisher selten. Und es bleibt spannend, denn immer wieder drängt der Rauch nach vorne und scheint alles andere durchzumischen. Jeden Nipp kann man getrost einige Zeit im Mund lassen und genießen. Der Alkohol ist sauber eingebunden und stört nicht.
Hals: Der Rauch kam als erster und geht als letzter. Daneben bleibt diese schwere Süße mittellang erhalten.
Fazit: Eine fantastische Kombination von heftigem Rauch und schwerer Süße mit exotischen Aromen.
IO II
Eckdaten: Islay – 8yo – Bourbon Hogshead – 62,3 %

Auge: Der bringt mal farbliche Abwechslung. Was ich wiederum erstaunlich finde. Jedenfalls hätte ich blind nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet ein Bourbon Hogshead der dunkelste Teilnehmer im Feld ist. Ein dunkles Gelbgold mit einem Stich ins Rötliche erwartet mich. Außerdem spindeldürre Legs, die kaum wieder ins Glas wollen.
Nase: Der Rauch versteckt sich zunächst hinter einer fruchtigen Süße. Ich bin überrascht, Tiramisu wahrzunehmen, schön klassisch – und als Extra ein Hauch Erdbeerpüree als Verzierung obendrauf. Als ich mich an diese besondere Kombination gewöhnt habe, entzieht sie sich mir wieder und macht Platz für malzige Noten. Jetzt wird es eher klassisch Bourbon-Fass. Die Süße verändert sich zu einer vanilligen. Zum Schluss wird es noch fleischig. Räucherspeck kommt ins Spiel. Nein, halt kein Räucherspeck. Das ist Bacon, gerade leicht kross angebraten und nun neben der Pfanne auf dem Küchentuch zum abkühlen ausgelegt. Hatte ich schon länger nicht mehr und das gefällt mir immer noch sehr!
Mund: Aus Vanille stammende Süße schießt voran, brauner Zucker folgt und bringt noch mehr Süße, bevor sich der Rauch wie ein wärmender Mantel darüber legt. Cremig und ölig fühlt sich auch dieser Nipp im Mund an. Die 62,3 % sind nicht in der Stärke auszumachen. Auch hier britzelt es erst nach rund zehn Sekunden auf der Zunge. Bis dahin hat sie aber noch erdigen Rauch wahrgenommen, den leicht angebratenen Bacon, der sich hier noch eine Spur deutlicher als in der Nase findet. Zum Ende hin wird der Rauch trockener und erst zum Schluss spürt man den Alkohol dann doch deutlicher.
Hals: Das mittellange Finish bereitet mir mit deutlichem Rauch und glasiertem Bacon große Freude.
Fazit: Ein klassischer, getorfter Islay ohne großes Chi-Chi. Großartig!
Randnotiz: Ein Sample des IO hatte ich bereits im September verkosten dürfen (https://leben-mit-genuss.de/neues-von-scotch-universe). Die restliche Reifezeit hat die Aromen doch noch ein wenig verändert, wie ich im Nachgang feststellte. Jetzt gefällt er mir noch besser.
RESÜMEE
Die Verkostung hat sich letztlich doch über zwei Tage gezogen. Gut so, denn jeder Malt hatte dadurch die ihm gebührende Zeit und Aufmerksamkeit. Mir hat es Spaß gemacht und ich bin davon überzeugt, dass viele hier mindestens eine Abfüllung für den heimischen Gebrauch finden werden. Die Antwort auf die übliche Frage nach dem einen Favoriten fällt mir bei der Auswahl wieder schwer. Ich versuche es anders herum: Es sind sehr unterschiedliche Malts mit zum Teil ungewöhnlichen Fasslagerungen. Alle haben mich auf ihre Art fasziniert und ich bin froh noch Reste für den weiteren Genuss zu haben. Erstaunlich fand ich die gute Einbindung der doch recht kräftigen Alkoholstärken. Lag es ein meiner Tagesform, oder ist das durchgehend der Fall? Ich werde es bei weiteren Gelegenheiten herausfinden. Dennoch gibt es zwei, die für meinen Geschmack die Nase vor den restlichen haben. Ein Foto-Finish ist das nicht, es liegen aber auch nicht Welten zwischen den Kandidaten. Bei den ungetorften gefällt mir der Pollux am besten. Das mag aber auch an der Jahreszeit liegen, in der er hervorragend passt. Die anderen beiden versuchen mit ihren teils deutlich fruchtigen Aromen den Sommer noch ein wenig hinauszuzögern. Auch das wird Freunde finden. Bei den getorften Vertretern liegt in dieser Runde der IO vorne. Der Abstand vor dem Callisto ist knapper als der Vorsprung des ungetorften Gewinners. Aber die eher klassisch wirkende Ausprägung des IO liegt für mich noch einen kleinen Tick vor dem sehr faszinieren Rum-Cast des Callisto.
Die Malts sind bereits in Deutschland eingetroffen und werden in den nächsten Tagen in den Verkauf gehen. Dann werden auch die Preise bekannt gegeben – auf die ich auch sehr gespannt bin. Die Destillerien habe ich bewusst nicht verraten, damit ihr noch Spaß bei der Suche habt.
An dieser Stelle herzlichen Dank an Michel Reick und Alexander Springensguth von Scotch Universe für die Samples. Meine Meinung wurde davon jedoch nicht beeinflusst.
LINKS
Abfüller: http://www.scotch-universe.co.uk/
Tasting-Notes #0038 bis #0043















Der erste Kandidat ist ein amerikanischer Bourbon. Ihn stelle ich an den Anfang, weil ich kein großer Bourbon-Freund bin. Probiert habe ich bereits verschiedene, aber für mehr als ein „lecker“ hat es kaum gereicht. Und selbst das gab es bisher nicht allzu häufig. Die süßliche, mich oft an Kleber erinnernde Note empfinde ich meistens als störend. Dahinter entdecke ich dann oft nicht mehr viel. Dennoch versuche ich das auszublenden und gebe dem SPECIES U1 eine Chance. Ein NAS-Whisky ist er, No Age Statement, ohne Altersangabe. Während das manchen Whisky-Genießer stört, ist es mir egal. Hauptsache, es schmeckt mir. Das ist das wichtigste Kriterium. Aus Indiana kommt er und schaut gut aus in seinem schönen, vollen Honiggelb. Die erste Nase überrascht mich direkt: Kein Kleber! Außerdem: Kein Alkohol. Die 56,3 % versteckt er erst einmal gut. Malzig-süße, sehr vanillige Noten steigen auf. Aber nicht so süß, dass es mir die Nase zuklebt. Eher zurückhaltend, aber dennoch deutlich spürbar. Mit etwas Wartezeit wird er kräftiger, bekommt eine leicht holzige Note dazu, die ihn schön ausbalanciert. Gefällt mir gut! Mal sehen, was er im Mund anstellt. Auch hier macht sich der Alkohol nicht sonderlich bemerkbar. Wirklich gut eingebunden. Geschmacklich kommt jetzt doch der Bourbon durch, aber zum Glück auch hier ohne Klebstoff. Wieder die Vanille, die aber gegenüber dem Aroma in der Nase deutlich zurück tritt. Dafür direkt von Anfang an eine deutlich würzige Note. Frisches Holz. Gartenkräuter, am ehesten Rosmarin. Rein vom Mundgefühl her liegt er beinahe leicht auf der Zunge. Aber die Aromen haben schon einen guten Antritt. Sehr schön! Sollte hier der Roggenanteil höher sein? Oder ist es gar ein Rye-Whiskey? Eine ganz leichte Salzigkeit kommt dazu, sehr interessant. Die bleibt auch im Hals am längsten bestehen, wenn die anderen Eindrücke schon verschwunden sind. Insgesamt mittellang. Tja, was soll ich sagen? Der überzeugt mich! Es gibt Bourbon, den ich mag. Dieser ist es!
Die Geschmacksnerven mit Wasser neutralisiert, widme ich dem zweiten Sample. Ebenfalls ein ungewöhnlicher Whisky, ein Grain, der nicht nur aus gemälzter Gerste besteht.. Über den großen Teich geht es in die schottischen Lowlands. In einem Bourbon Hogshead durfte er rund 24 Jahre reifen. Ein Alter, ab dem Grains anfangen interessant zu werden. Von Ausnahmen abgesehen, wie ich unlängst mit dem Strathclyde feststellte. Aber zurück zum GRAVITY C mit seinen 51,5 %. Die Anziehungskraft, Gravitation, ist im Universum ja kaum vorhanden. Mal sehen, welche dieser Whisky ausübt. Sein Gelb erinnert an Weißwein. Die Nase ist auch hier süßlich. Leicht gezuckertes Popcorn, frisch zubereitet. Ein Hauch Marshmallow. Auch hier wieder nicht so klebrig süß wie das Original. Eher angenehm in der Nase. Dahinter etwas, das, ich kann mir nicht helfen, mich an die karamellisierte Kruste von Omas Schweinebraten erinnert. Ganz schwach ausgeprägt nur, aber die Assoziation ist da. Verrückt. Im Mund dann wie erwartet: Weich, rund legt er sich auf die Zunge, rollt sanft hin und her. Popcorn ist wieder da, dazu gesellt sich eine frische Note, die ich nicht auf Anhieb identifizieren kann. Im ersten Moment grasig wirkend, kommt dann aber Frucht durch. Ein Anflug von Aprikose, nein, Birne ist es. Gelblich, reif, saftig. Aber nicht mundfüllend. Eher so gerade eben, dass ich es wahrnehme. Auch das finde ich gut. Im mittellangen Abgang bleibt diese Fruchtigkeit, getragen von einer leichten Würze bestehen. Feiner Stoff!
Kandidat Nummer drei kommt zum Glück nicht mit 299.792.458 m/s auf mich zu – das entspräche der einfachen Lichtgeschwindigkeit, die er als Namen bekommen hat. Gestartet ist er in der Speyside, wo er fast sechs Jahre in einem American Bourbon Barrel reifen durfte. Mit 53,7 % wurde er abgefüllt und steht nun in der Farbe eines leichten Weißweins vor mir. Malzig ist der erste Eindruck in der Nase, dann folgen Shortbread und ein Hauch Karamell. Leicht wirkt er dabei nicht, eher voluminös und voll. Nicht zu spät für einen Keks, nehme ich den ersten Schluck vom SINGLE VELOCITY OF LIGHT, natürlich langsam, wie es ihm gebührt. Die Teignoten werden deutlicher. Immer noch Shortbread, Butterkeks vielleicht. Beißen kann ich ihn nicht wirklich, aber die Noten finde ich schon sehr deutlich. Auch das Malz bleibt, dann gibt jemand Butter zum Shortbread. Irgendwie bekomme ich jetzt Appetit auf Kuchen. Beim nächsten Probieren sollte ich was in Reichweite haben. Geradeaus, ehrlich, direkt. Vermutlich kann ich mich nicht stundenlang mit ihm aufhalten, wie ich bei den beiden ersten den Eindruck hatte. Aber ein schöner Whisky, perfekt als Starter in einem Tasting. Für sich betrachtet sehr gut, im Vergleich hat er es allerdings etwas schwer.
Weiter gehts. Nach dem der Sonne am nächsten gelegenen Sternensystem benannt, steht der ALPHA CENTAURI I vor mir. Definitiv näher als das Sternensystem selbst, das 4,34 Lichtjahre entfernt ist. Es ist Zeit für den ersten Whisky aus einem Sherry-Fass, in diesem Fall ein First Fill Oloroso Sherry Butt. Den Sherryfass-gereiften und -gefinishten Whiskys gegenüber derzeit eher weitgehend ablehnend eingestellt, braucht es schon etwas besonderes, um meinen Gaumen zu kitzeln. Der Oloroso, ein trockener bis leicht süßlicher Sherry, passt da ins Schema. Nicht dieser oft sehr ähnliche Geschmack nach Rosinen, Karamell, Schokolade und Süße, den PX Sherry-Fässer dem Whisky mit auf den Weg geben. Aus der Speyside ist er angereist, nachdem er fast achteinhalb Jahre im Fass lag. Die Farbe schrammt so gerade an Mahagoni vorbei, ist ein klein wenig heller. 52,4 % stehen auf dem Etikett. In der Nase lassen sie sich allerdings nicht finden, und das ist gut so. Dafür spielt der Oloroso mit meinem Riechkolben. Trocken ist er, ja. Würzig auch, allerdings nicht kräuterig, sondern eher holzig, nach alten Möbeln, altem Leder riechend. Sehr faszinierende Sinneseindrücke! Diese Trockenheit macht sich sofort auch im Mund bemerkbar. Begleitet von diesen tollen alten, dazu noch teils erdig wirkenden Aromen fängt Speichel an, sich zu bilden und spült noch einmal die feinen Nuancen hervor. Definitiv alte Möbel, Möbelpolitur, nicht gerade geöffnet und frisch aufgetragen, sondern im Verschwinden begriffen. Auch im Hals bleibt diese Trockenheit, dieses alte Gefühl, und das recht lange. SIR, YES, SIR! Sherry, as I like it. Der hat mich. Nicht nur wenn meine Vermutung bezüglich der Destillerie stimmt, brauche ich davon wohl eine Flasche.
Jetzt wird es ruppiger. Nicht nur weil der nächste Whisky nach den Sonneneruptionen benannt ist, jenen fackelähnlichen Gebilden, die scheinbar in den Weltraum geschleudert werden. Ruppig auch, weil es ab jetzt peated wird, getorft. Und wieder ungewöhnlich, weil von vielen Whiskytrinkern verpönt, ist es diesmal ein Blended Whisky. Völlig zu unrecht verpönt übrigens, geht doch der allergrößte Anteil des produzierten Whiskys in Blends. Neben dem Billig-Zeug aus dem Discounter gibt es dort aber auch Whiskys, die keinen Vergleich mit Malts scheuen brauchen. Mal sehen, wie es um den SOLAR FLARE α bestellt ist. Gute 21 Jahre hat er auf dem Buckel. Whiskys von Islay und den Islands wurden für diese Abfüllung vermählt und mit 53,8 % in die Flasche gebracht. Die Anteile aus den beiden einzelnen Destillerien sind nicht genannt, wohl aber, dass es sich um ein American Bourbon Barrel handelt, das zum zweiten Mal befüllt wurde. Strohgelb schimmert er im Glas und verbreitet schon im Stand die Aromen, die mir bei Whisky am besten gefallen. Durch den auf den Islands beheimateten Teil ist der torfige Geruch allerdings nicht so präsent wie bei dem Islay alleine. Dennoch eine tolle Mischung! Rauch gepaart mit Heidekraut, kräftig und würzig zugleich. Ein schöner Malzton dazu, fertig. In der Nase begeisternd! Und im Mund? Man merkt sein Alter. Der ist vollmundig, komplex. Doch als erstes fällt auf, dass er bei weitem nicht so rauchig ist, wie erwartet. Klar sind die Noten da, gehen aber mit dem anderen Whisky eine wärmende Melange ein. Wieder das Heidekraut, ein Anklang von Lakritz, eine blumige Note dabei. Kann das Flachs sein? Und dann ist da noch etwas. Fehlnote würde ich es nicht nennen. Aber irgendwas, das nicht ganz ins Bild passt – und ihn für mich daher umso interessanter macht. Ja, diese blumige Note ist es. Auch der gefällt mir – weil es ein faszinierender Blend mit Ecken und Kanten ist. Vielleicht nicht jedermanns Sache, aber ich finde ihn sehr spannend!
Dem Namen nach kann es sich beim vorletzten Dram nur um den Io handeln, den innersten der vier großen Monde des Jupiter. Single Malt. Islay. American Bourbon Barrel. Fassstark. Vier Argumente, die mein Whisky-Genießer-Herz höher schlagen lassen. Mit gut acht Jahren noch recht knackig und mit 57,8 % in einer Liga, die ich mag. Mal sehen, was der IO kann. Fast klar aussehen kann er, wie sehr heller Weißwein. Kein Wunder bei der zweiten Befüllung des Fasses. Und rauchen kann er, das nehme ich auf mehr als eine Armlänge Entfernung wahr. Die Nase? Qualm. Satter, purer Qualm eines Feuers, das noch nicht richtig brennt, weil das Holz nass ist. Der verzieht sich jedoch nach ein paar Minuten, als ob das Feuer gelöscht wurde. Es bleiben Salz, Seetang, der Anflug von etwas geräuchertem. Nicht Speck, der hat ja eigene Aromen. Eher geräucherter Fisch, Aal. Aber nur ganz dezent. Seetang und Salz dominieren klar. Mein Ding! Ich will wissen wie er schmeckt. Kurz: Fantastisch! Der fordert, aber er gibt auch eine Menge. Blind hätte ich ihm rund 50 % gegeben, so gut ist der Alkohol eingebunden. Dennoch kommt er wild daher, ungestüm. Sehr viel Seetang und Jod bringt er mit. Das ganze umrahmt von einer erstaunlichen Süße. Doch sie hat es schwer, gegen diese Wucht anzukämpfen. Das Ding ist wie ein Spaziergang im Sturm am Strand. Die Gischt fliegt einem um die Ohren, der Tang tanzt auf den Wellen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen so ehrlichen, geradlinigen und vor allem guten Islay im Glas hatte. Groß! Ar! Tig!
Der letzte dürfte es jetzt schwer haben. Toppen kann er den Io eigentlich nicht mehr. Aber ich lasse es ihn zumindest versuchen, klingen die Eckdaten doch recht vielversprechend: Von den Islands stammend, ist er mit 58,3 % der stärkste aus dem Sortiment. Getorft ist er auch, aber auch geblendet. Zwar nur der berühmte Teaspoon, aber damit stammt er nicht mehr aus einer einzigen Destillerie. Die sechseinhalb Jahre seiner Reifung durfte er in einem First Fill Port Wine Barrique verbringen. Die Lagerung sieht man ihm auch an, denn er kommt in einem schönen, dunklen Rosé-Ton daher. Auch in der Nase ist die Herkunft unverkennbar. Schöne, fruchtige Noten, ein wahrer Kompott aus roten Johannisbeeren, Sauerkirschen, Himbeeren. Insgesamt eher leicht erfrischend säuerlich. Durch die Kombination mit dem Rauch wirkt es eher wie ein Rosé, als wie ein Port. Im Mund kommt er schon fast cremig daher. Und mit deutlichem Unterschied zur Nase. Zwar auch irgendwie frisch, aber das Obst ist hier süßer. Dazu der Rauch, der alles umhüllt – sehr klasse! Der Geschmack bleibt auch noch eine ganz Zeit erhalten, denn der Abgang ist lang. Mit dem Io konnte er besser mithalten als erwartet.