Tullibardine 2006 WCh

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WAS

Bei dem für die heutigen Notes bereitstehenden Whisky handelt es sich um einen Tullibardine. Destilliert am 30. Juni 2006, wurde er in drei verschiedene Fässer abgefüllt.

  • ex-Bourbon Barrel (200 Liter Fassungsvermögen)
  • ex-Rum Barrel (200 Liter Fassungsvermögen)
  • ex-Sherry Hogshead (250 Liter Fassungsvermögen)

Nach 10 Jahren wurden die drei Fässer am 7. Juli 2016 gebottlet. So kann wunderbar demonstriert werden, welchen Einfluss ein Fass auf das Destillat hat. Abgefüllt wurde der Whisky anlässlich des 10-jährigen Firmenjubiläums von The Whisky Chamber.

DESTILLERIE

Tullibardine ist eine Destillerie in den schottischen Highlands, genauer: in Blackford, nordwestlich von Edinburgh. Erste Erwähnungen, damals als Brauerei, reichen bis in das Jahr 1488 zurück. Das Wasser bezieht die Destillerie aus den umliegenden Ochil Hills. Es übrigens das gleiche, das als Highland Spring Water abgefüllt wird. Seit 1949 wird bei Tullibardine Single Malt Whisky produziert. 1995 vom damaligen Eigentümer Whyte & Mackay eingemottet, wurde die Destillerie 2003 vom neuen Eigentümer Tullibardine Distillery Ltd. wieder eröffnet. 2011 erfolgte schließlich der Verkauf an das französische Unternehmen Picard Vins & Spiritueux. Die Produktionskapazität liegt heute bei 2,7 Mio. Litern pro Jahr.

ABFÜLLER

The Whisky Chamber, 2006 von Thomas B. Ide gegründet, ist als unabhängiger Abfüller tätig. Er selbst wurde Ende der 70er zu einem Fan des uisge beatha. Vom badischen Rheinfelden, nahe der Grenze zur Schweiz gelegen, ist es zwar ein weiter Weg, bis nach Schottland, aber der Inhaber nimmt ihn auf der Suche nach neuen Abfüllungen immer wieder gern in Kauf. Dabei hat er im vergangenen Jahrzehnt eine Reihe von ausgezeichneten Abfüllungen herausgebracht, die unter Whisky-Genießern einen sehr guten Ruf genießen. Nicht zuletzt die erste Abfüllung seines Speyside Hero ist, wenn auch schon lange vergriffen, auch heute noch legendär. Geheimnis seines Erfolges ist, dass der Whisky zunächst ihm schmecken muss. Außerdem sucht er nach ungewöhnlichen Abfüllungen. Schließlich gibt es die Standards seiner Meinung nach von den Destillerien selbst. Die heute verkosteten Whiskys wurden übrigens von ihm selbst in die Fässer gefüllt – und das am Tag, bevor er sein Hobby zum Beruf machte.

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BOURBON-FASS

Schottischer Whisky wird klassisch im Bourbon-Fass gereift. Viele Kenner schätzen diese Whiskys, weil sie unverfälscht den Charakter der jeweiligen Brennerei wiedergeben. Daher beginnen meine Notes mit diesem Fass.

Abfüller: The Whisky Chamber
Name: Tullibardine 2006 10yo ex-Bourbon-Fass
Region: Highlands
Fass-Nr.: 385/2006
Flasche: 311/334
Alkoholgehalt: 57,3 %
Aktueller Straßenpreis: Nur als Set erhältlich / 194,90 EUR

FARBE

Ein helles Honiggelb lässt kaum Zweifel aufkommen, dass dieser Whisky aus einem Bourbon-Fass stammt.

NASE

Der erste Eindruck ist recht kräftig, der Alkohol meldet sich zuerst. Schnell verflogen machen sich anschließend deutliche, malzige Noten bemerkbar. Frisches Heu gesellt sich dazu, braune Butter. Getragen wird das durch eine schier unglaubliche Vanille-Süße. Die Aromen sind insgesamt sehr kraftvoll, voluminös, sind von Anfang an sehr präsent.

MUND

Anders als in der Nase kommt der erste Schluck im Mund weich und sanft daher. Den fassstarken Alkohol bemerkt man erst spät. Gleichzeitig fällt mir auf, dass die Süße weniger ausgeprägt ist. Im Gegenzug machen sich die malzigen Eindrücke stärker bemerkbar. Dazu gesellen sich kräftige, würzige Aromen. Leder drängt sich mir als Assoziation auf, dazu leichte Holznoten. Kurz bevor ich ihn aus dem Mundraum entlasse, meine ich noch Shortbread zu schmecken. Diese Abwechslung gefällt mir. Meine Geschmacksknospen haben viel, woran sie sich festhalten können. Insgesamt ist der Whisky sehr beeindruckend, sehr voluminös.

HALS

Lang ist der Abgang, wunderschön lang und kräftig.  Malz und diese Shortbread-Aromen dominieren jetzt im Gleichklang mit der ledrigen Note.

FAZIT

Ehrlich, geradeaus, direkt, dabei vollmundig mit einem schönen Wechselspiel an Aromen. Ein toller Malt aus dem ex-Bourbon-Fass. Nein, einer der besten, die ich je getrunken habe!

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RUM-FASS

Abfüller: The Whisky Chamber
Name: Tullibardine 2006 10yo ex-Rum-Fass
Region: Highlands
Fass-Nr.: 383/2006
Flasche: 189/313
Alkoholgehalt: 57,0 %
Aktueller Straßenpreis: Nur als Set erhältlich / 194,90 EUR

FARBE

Zu meinem Erstaunen ist die zweite Variante etwas heller. Fast wie ein Weißwein schimmert er im Glas. Das hätte ich so nicht erwartet.

NASE

Süß ist er auf Anhieb. Aber es ist keine typische Rum-Süße. Am ehesten erinnert sie mich an ein Ex-Bourbon-Fass, allerdings mit einem Hauch Zuckerrübensirup versetzt. Etwas kräftiger riecht er, eine ganz leichte Würze schwingt mit. Gesüßte Frühstückscerealien kommen mir in den Sinn. Nach ein paar Minuten gesellt sich eine nur entfernt wahrnehmbare Fruchtnote dazu, die ich zunächst nicht direkt einsortieren kann. Noch einen Moment später entpuppt sie sich als Mango. Die Fassstärke ist jedoch nicht zu erahnen.

MUND

Dort zeigt sie sich jedoch erst einmal, zumindest bei der ersten Berührung. Der zweite Nipp ist weicher, wirkt leicht cremig, sehr angenehm. Recht schnell wird mir jedoch klar: Wieder keine Rum-Süße. Statt dessen macht er einen kräftigen Eindruck. Umspielt von der Cerealien-Süße schmecke ich holzige Noten, etwas Leder. Die Frucht scheint ganz verschwunden. Dennoch gefällt er mir. Weil er ungewöhnlich ist. Weil er Ecken und Kanten hat. Nach hinten raus wird er stärker, ist der Alkohol deutlicher spürbar. Er prickelt angenehm auf der Zunge und der Mundraum wird etwas trocken

HALS

Seinem ex-Bourbon-Fass-Bruder steht er hier kaum nach. Ebenfalls lang und wärmend mit tollen würzigen Noten. Herb und trocken bleiben Mund und Hals zurück.

FAZIT

Ein ungewöhnliches Rum-Fass, in der Tat. Ohne das Etikett hätte ich darauf nicht getippt. Whiskys aus dem Rum-Fass kenne ich bisher deutlicher süßer, tatsächlich Rum-lastiger. Nicht zuletzt, dass dieser Tullibardine anders ist, macht ihn für mich sehr interessant. Dennoch bleibt die Frage, was das für ein Rum war, der das Fass vorher bewohnte.

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SHERRY-FASS

Abfüller: The Whisky Chamber
Name: Tullibardine 2006 10yo ex-Sherry-Fass
Region: Highlands
Fass-Nr.: 389/2006
Flasche: 400/449
Alkoholgehalt: 59,5 %
Aktueller Straßenpreis: Nur als Set erhältlich / 194,90 EUR

FARBE

Ein wunderschöner, warmer Mahagoni-Ton strahlt mir entgegen. In der Flasche noch sehr dunkel, Dark Sherry halt, ist er im Glas deutlich heller.

NASE

Okay, der verleugnet seine Herkunft nicht. Volle, schwere Sherry-Aromen empfangen meine Nase. Kräftige Rosinen, wie in einem guten Malaga-Eis, dunkle Schokolade, Brombeeren, Schattenmorellen nehme ich wahr, ebenso einen Hauch von Pfirsich. Ein toller Kompott. Aber auch das Alter ist zu erahnen. Erste Eindrücke vom Fass hinterlassen ihre Spuren. Dazu dunkler Toffee wie der, den mein Vater immer aus England mitbrachte. Und obwohl der nominell stärkste, ist der Alkohol so gut eingebunden, dass man ihn fast gar nicht wahrnimmt.

MUND

Sofort werden die Erinnerungen an die 9-jährige Abfüllung vom letzten Jahr wach. Ähnlich vollmundig ist er. Der gleitet sanft und rund in jede Ecke, hinterlässt überall unglaubliche Aromen. Die Süße ist dabei nicht so aufdringlich, sondern wechselt sich mit den herben Tönen der Eiche ab. Leder gesellt sich dazu. Daneben breiten sich die Früchte aus. Ich glaube fast, die Brombeeren kauen zu können, die Kirschen rollen nur so hin und her. Dann wieder die Schokolade, Zartbitter scheint es zu sein. Ein faszinierendes Wechselspiel der Aromen, das mir besser gefällt als im letzten Jahr der etwas jüngere Bruder. Der Alkohol? Fällt nicht wirklich auf, dass er knapp 60 % hat. Sehr gut eingebunden, was diese Abfüllung schön harmonisch macht.

HALS

Kraftvoll, mit viel Eindruck verschwindet er. Die Früchte zuerst, es bleiben die Eiche und das Leder. Im direkten Vergleich etwas kürzer als seine beiden Brüder, aber das ist nicht der Rede wert.

FAZIT

Der Sherry-Abfüllungen derzeit grundsätzlich etwas überdrüssig, vermag diese mich zu begeistern. Dass die Süße, die typischen Sherry-Aromen nicht dominieren, gefällt mir. Sehr ausgewogen wirkt er durch den Gegensatz der herben Noten.

 

GESAMTFAZIT

Chapeau Thomas, wieder einmal ist dir etwas tolles gelungen! Jede der drei Abfüllungen gefällt mir richtig gut. Teils ungewöhnlich, überraschend, wissen sie alle zu überzeugen, jede auf ihre Art. Gibt es für mich eine Reihenfolge? Ja, aber mit minimalen Abständen. Dritter ist der aus dem Rum-Fass. Für sich betrachtet, klasse, auch weil er so gar nicht typisch Rum-Fass ist. Aber er hatte zwei starke Gegner. Der aus dem Sherry-Fass belegt den zweiten Platz. Ausgewogen, tolle Aromen, die lange faszinieren. Das eine zusätzliche Jahr hat ihm gut getan. Mein persönlicher Favorit ist jedoch die Abfüllung aus dem ex Bourbon-Fass. Warum? Weil es für mich eine der großartigsten Abfüllungen dieses Genres ist. Der hat mich richtig umgehauen!

Danke an den Whiskyhort Oberhausen für die Samples

 

LINKS

ex Bourbon: https://www.whiskybase.com/whisky/86016/tullibardine-2006-wch

ex Rum: https://www.whiskybase.com/whisky/86017/tullibardine-2006-wch

ex Sherry: https://www.whiskybase.com/whisky/86018/tullibardine-2006-wch

Destillerie: http://www.tullibardine.com/

Abfüller: http://www.whisky-chamber.com/

 

 

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